Motivation
Durch die zunehmende Leistungsfähigkeit der mobilen Endgeräte, wie Smartphones oder Tablet-PCs, können heutzutage Anwendungen, die aus dem Bereich
der Desktop-Systeme bekannt sind auch in mobilen Situationen genutzt werden, z. B. Web-Browser, Email-Anwendungen oder Videotelefonie. Dies verdeutlicht
den Trend hin zu sogenannten mobilen persönlichen Informationsumgebungen (PIE), in denen der Anwender von heterogenen Endgeräten und ihren zugehörigen Diensten
umgeben ist. In diesen sogenannten Multi-Device-Szenarien können ein oder mehrere Anwender verschiedene Endgeräte gleichzeitig in Kombination einsetzen, wodurch
neuartige kollaborative Anwendungsmöglichkeiten entstehen. Ein Beispiel hierfür ist der Einsatz mobiler Endgeräte in kollaborativen Entscheidungsfindungsprozessen.
Ein weiteres Beispiel für den kollaborativen der Einsatz der mobilen Endgeräte ist ein Rettungsszenario der Feuerwehr, in dem die Position eines jeden einzelnen
Feuerwehrmannes mit Hilfe des GPS-Sensors des persönlichen Smartphones bestimmt und über eine verteilte Web-Anwendung an jedes Teammitglied übertragen und in Form
einer Kartedarstellung präsentiert wird. Die verteilte Anwendung kombiniert die Positionsdaten der Smartphones mit geografischen
Kartendiensten, wie zum Beispiel Google Maps. Jede Rettungskraft kann nun mit Hilfe der Anwendung verfolgen, wo sich die Kollegen aufhalten und besser auf
sich verändernde Situationen reagieren.
Neben der erhöhten Leistungsfähigkeit mobiler Endgeräte wie Smartphones, kam es in den letzten Jahren auch zur einer zunehmenden Digitalisierung des
öffentlichen Raumes. Ein Beispiel hierfür sind sogenannte Public-Displays oder öffentliche interaktive Kiosk-Systeme, über die der Anwender zum Beispiel
Navigationsdienste nutzen kann, um zu bestimmten Orten gelangen oder Informationen zu Sehenswürdigkeiten abrufen zu können. Auch in öffentlichen Räumen
sind somit Multi-Device-Szenarien möglich, in denen der Anwender sein persönliches Endgerät und die öffentlich verfügbaren Dienste in Kombination einsetzen
kann, wo durch sich ebenfalls neue Möglichkeiten für Unternehmen ergeben. Ein Beispiel dafür ist das Pilotprojekt Touch and Travel
der Deutschen Bahn, in dem der Kunde mit Hilfe seines Smartphones schnell und unkompliziert Reisetickets bezahlen kann, ohne nach dem geeigneten Tarif aufwändig suchen zu müssen.
Durch die Vielfalt der Endgeräte, ihrer Funktionen und durch die hohe Verfügbarkeit von Diensten im WWW sowie in öffentlichen Umgebungen in Form von ubiquitären Geräten wie Public Displays, Sensorsysteme u. ä.
rücken Multi-Device-Szenarien zunehmend in den Fokus der Forschung.
Problemstellung
- Fehlende einheitlliche Standards zur Entwicklung verteilbarer Multi-Device-Webanwendungen
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Konventionelle Entwicklungsmethoden mobiler Web-Anwendungen basieren bisher lediglich auf dem sogenannten Single-Device-Single-User-Paradigma, welches auf der Annahme basiert, dass eine mobile Anwendung
immer nur auf einem Endgerät ausgeführt und lediglich durch einen Anwender manipuliert wird. Die vorher beschriebenen Szenarien und Anwendungen setzen jedoch auf dem Multi-User-Multi-Device-Paradigma auf,
für dessen Unterstützung bisher noch keine ausreichende Entwicklungsmethodik existiert. Im Forschungsprojekt steht der modellgetriebene Entwicklungsansatz kompositer Mashup-Anwendungen im Fokus, da angenommen wird,
dass dieser zu einer wesentlichen Vereinfachung im Entwicklungsprozess zukünftiger, verteilbarer Multi-Device-Webanwendungen führt.
- Erschwerte Interoperabilität zwischen heterogenen Endgeräten
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Aufgrund der Verwendung heterogener Endgeräte können in Multi-Device-Szenarien sehr verschiedene Kommunikationsprotokolle, z. B. Http, AirPlay oder SOAP, eingesetzt werden, die eine Interoperabilität der unterschiedlichen Endgeräte
erschwert oder sogar verhindert.
- Variabilität verfügbarer Dienste zur Laufzeit
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Besonders in mobilen Anwendungsszenarien, in denen Smartphones oder Tablets durch den Anwender in die Interaktion einbezogen werden, kommt es zum Phänomen der variablen Dienstmenge innerhalb
der interaktiven persönlichen Informationsumgebung. Neue Anwender und ihre persönlichen Endgeräte kommen zur Laufzeit einer Anwendung hinzu oder verlassen die interaktive Umgebung, d. h. eine Anwendung
muss sich der Kontextveränderung bewusst werden und sich an diese anpassen können. Bisherige Ansätze kompositer Anwendungen ignorieren dieses Phänomen und sind daher nicht für mobile Anwendungsszenarien geeignet.
- Beschränkte Leistungsfähigkeit beteiligter Endgeräte
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Auch wenn heutzutage bereits Mehrkernprozessoren und Arbeitsspeicherkapazitäten bis in den Gigabyte-Bereich in mobilen Endgeräten wie Smartphones oder Tablets verbaut werden, ist die Leistungsfähigkeit solcher Geräte
dennoch begrenzt. Ein Beispiel hierfür sind Interpretationsprozesse, in denen komplexe Anwendungsmodelle analysiert und verarbeitet werden müssen. Die Ausführung solcher Prozesse schlägt sich negativ
auf die Lebenszeit des Akkus und somit auf das Benutzererlebnis nieder. Komplexe Verarbeitungsschritte, die zur Ausführung kompositer Anwendungen in Multi-Device-Szenarien notwendig sind, können daher nicht durch jedes beteiligte Endgerät
erbracht werden. Des Weiteren können auch Endgeräte in der Interaktion beteiligt sein, die nur bestimmte Technologien, bspw. clientseitige Web-Technologien, unterstützen, d. h. es besteht die Notwendigkeit die Einschränkungen der Endgeräte
durch geeignete Konzepte zu umgehen.
- Fehlendes a priori Wissen zur Verfügbarkeit der Dienste
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Da der Anwender in Zukunft Interaktionen in Verbindungen mit anderen Geräten und Diensten ad-hoc initiieren oder an ihnen teilnehmen will,
ist es notwendig, dass er Kenntnisse zu den verfügbaren Diensten der intelligenten Umgebung besitzen muss. Das Problem hierbei ist, dass er dieses Wissen
a priori nicht besitzt.
- Automatische Servicekomposition reicht allein nicht aus
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Ansätze aus der Forschung zur automatischen Servicekomposition reichen allein nicht aus, da sie nicht immer die Bedürfnisse des Anwenders ausreichend befriedigen können.
Dementsprechend muss der Anwender in die Servicekomposition selber eingreifen können. Hierzu benötigt er Werkzeuge mit denen er Anforderungen an zu integrierende Dienste in
mobilen Situation definieren kann.
- Vielzahl möglicher Formate zur Beschreibung gerätespezifischer Dienste
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Innerhalb einer offenen intelligenten Umgebung werden heterogene Geräte und zugehörige Dienste eingesetzt, welche aus sehr unterschiedlichen Domänen stammen können, z. B.
ein Dienst zur Bestimmung der geografischen Position sowie zur Darstellung eines Videostreams. Die Beschreibungsformate solcher Dienste können sich auf syntaktischer Ebene sehr stark
voneinander unterscheiden, was die Integration der gerätespezifischen Dienste in eine komposite Anwendung erschwert.